Hier möchte ich allen an Astrologie Interessierten eine Köstlichkeit bieten: Eine sehr
anspruchsvolle Arbeit aus der Feder von Prof. Dr. Edgar Dacqué (1878-1945) Paläontologe, Zoologe,
Biologe und Naturphilosoph. Er beschreibt unter anderem in seinem wundervollen Buch
"Das verlorene Paradies"
die astrologische Symbolwelt wie wir sie uns heute in unserer überdimensionierten intellektuellen Welt- und
Lebenssicht kaum noch vorstellen können, welche aber nichts desto weniger auch heute noch stimmig ist!
Der Einfachheit halber habe ich das entsprechende Kapitel wortgetreu in diese Homepage übernommen.
Die astrologische Symbolwelt
Die Natur, der ganze Kosmos hat in sich lebendigen Sinn, lebendiges Wesen, hat Seele,
nirgends gibt es ein Totes; denn Totes ist nur ein Begriff, den sich der Mensch, der
nicht hindurchsieht, für das Sterben des diesseitigen Organismus erfand. Durchschauten
wir die Natur, sähen wir ihr pulsierendes Atmen, so gäbe es nie und nirgends Totes,
sondern wir sähen nur strömende oder ruhende, bannende oder gebannte Kräfte. So ist
das Strömen durch die gesamte Natur nicht ein formloses Fließen, noch weniger ein
mechanisches Aneinanderstoßen, sondern es sind Kräfte, die zur Gestaltung drängen und
treiben in seelenhafter Lebendigkeit. Das sichtbare, fühlbare, greifbare All um uns
und das in uns, die ganze Natur ist Manifestierung dieser sich gestaltenden Seelenkräfte.
Das, was wir außen sehen, die Körper, die Dinge, die Abläufe der gestaltenden Geschehnisse
sind Symbole, wirklichkeits- und lebensträchtige Symbole eben jener seelischen Überwelt.
Darum schafft die Natur zwar Dinge, die einen Intellekt von bedeutendster Stärke staunen
machen, dennoch auf ganz unintellektuelle Weise, unglaublich herrliche, tiefsinnige
unbegreifliche Dinge, entfaltet ihr Leben wie eine Blüte, so daß unser Verstand ratlos
davor steht und mit Erklärungen lallt. Es sieht immer aus, als ob ein unausdenkbarer,
übergeordneter höchster Verstand da Zwecke und Ziele setzte, und doch ist es die unbewußte,
aber in höherem als nur dem Verstandessinn stets einsichtige Naturseele, die da schafft,
indem sie sich nach außen selbstverwirklicht, manifestiert. Deshalb sind alle Dinge der
Natur lebenswirkliche Symbole.
Eben diese Seelengewalten, linde und drängende, stille und tobende, diese Lebenspotenzen,
diese überbewußten gestaltenden Kräfte und Zentren im Kosmos, das sind die Götter,
unendlich mannigfaltig, nah und fern, verständlich und unverständlich. Des Menschen Naturseele
aber ist mit ihnen verwoben, wird von ihnen durchzittert und bewegt. Und versenkt sich der
natursichtige, der magisch erlebende Mensch in die Dinge der Natur, so erblickt er im
Tiefenbewußtsein darin das Walten und Wirken der Götter, die Götter werden von ihm gesehen,
entdeckt. Das ist, wie wir uns schon überzeugten, der Weg, auf dem der Mythus entstand, es
ist der Weg, auf dem die heidnischen Religionen und Kulte entstanden.
Es ist also dieses Entdecken und Erleben der Götter und ihrer Seelenkräfte nicht ein
Phantasma, sondern eine innere Naturforschung, eine innere Naturwissenschaft, aber
insofern nicht profan wie unsere, als sie es mit übergeordneten lebenden Wesen zu tun
hat. Dem Leben gegenüber, in welcher Form es auch erscheine, ist immer eine Verantwortung
gesetzt. Das Lebendige ist immer scheubar, ist sakro-sankt, und aus diesem Scheubarkeitsverhältnis
des magischen Menschen zu aller Natur geht auch sein religiöses Verhalten hervor. Sein Gut und
Böse ist magisch bedingt, hat mit der Erlösungsreligion nichts zu tun. So sind auch seine
"wissenschaftlichen" Erkenntnisse magischen Inhaltes "geheiligt", seine
Wissenschaft ist priesterlich gebunden, kann in diesem Sinn also niemals "profan"
sein. Alle Erkenntnissysteme, die etwa sehr kultivierte oder geistig sehr entwickelte Völker von
magischer Lebens- und Seelenverfassung ausbilden, haben auch immer magisch-kultische Bezogenheit
auf die Götterpotenzen, und sind auch aus diesem Grunde niemals das, was wir heute als Wissenschaft
bezeichnen, ganz abgesehen auch von dem sonstigen Unterschied der Methode und der Absichten.
Die Götter, die lebendigen Kraftzentren, werden im gleichen Augenblick erschaut, wo überhaupt
innere Naturvorgänge aus der sinnenhaften Außenwelt abgelesen, natursichtig oder in traumhaftem
Zustand im eigenen Innern des Menschen erlebt und dann mythisch in das Wachbewußtsein herübergebracht
werden. Damit ist aber auch die magische Verbundenheit hergestellt, und so ist auch gezeigt, inwiefern
Mythisches und Magisch-Kultisches in sich zusammenhängt. Das Wesen des Menschen wird so zum Spiegel und
Mittelpunkt des von ihm erlebten Kosmos; aber nicht in einem physikalisch-mechanischen Sinn, sondern
in einem lebendigen Sinn. Dieses Spiegeln aber kann nur stattfinden, wenn das Wesen der kosmischen
Lebensseele eben im Menschen dasselbe ist wie draußen, und umgekehrt. So findet sich der Kosmos im
Menschen, und der Mensch findet seinen inneren Ort im Kosmos. Es gibt daher in dieser lebendigen Sicht
nicht, wie es die rationalistische Wissenschaft anstrebt, eine objektive Welt, sondern es gibt nur
eine anthropozentrische Welt, und sie muß daher rings um den Menschen geschlossen erscheinen.
Dies allein ist der Ausdruck für die seelenhafte Wirklichkeit des Kosmos, und daher ist die unmittelbare
Anschauung eines in sich um den Menschen und die Götterwelt geschlossenen Kosmos die selbstverständliche
und auch die wirklich geschaute wahre Welt des Frühmenschen. Wenn wir uns mit unseren astrophysischen
Vorstellungen heute darüber wundern, wie es nicht nur unkultivierte Frühmenschen, sondern erleuchtete
Geister und Völker im Altertum noch gab, die einen abgeschlossenen Kosmos sahen, so war das nicht ein
irrtümlicher Glaube, sondern es war die unmittelbar erblickte Wirklichkeit des lebendigen Seins um und um.
Wir begreifen heute gar nicht mehr, daß auch unser Weltraumbild zwei sich widersprechende Grundelemente des
Denkens und Vorstellens in sich hat, und daß die scheinbare Endlosigkeit des Raumes doch zugleich ein
wirkliches Begrenzt-sein mitenthält. Man braucht nur an den bekannten Vergleich zu erinnern, daß ein nur
für das Flächenhafte empfängliches Sinnenwesen auf einem Globus endlos überallhin sich bewegen könnte,
nie an ein Ende käme, wohl aber wieder an denselben Ausgangspunkt zurückfinden könnte, von wo es einmal
seine Weltdurchforschung unternahm, auch wenn es unentwegt nur geradlinig weitergegangen wäre. Trotzdem
ist diese Globuswelt durchaus begrenzt, und für das Wesen der Sache ist es gleichgültig, ob die Fläche
Millionen Meilen größer oder kleiner im Umfang ist.
Jenes in sich geschlossene kosmische Weltbild entspricht allein der naturseelenhaften Wirklichkeit,
das unsrige ist entseelt. Wenn es je wiederkommen sollte, daß wir uns der seelischen Lebendigkeit des
Kosmos bewußt würden und sie irgendwie verstünden, dann würde sich auch unser derzeitiges astronomisches
Weltbild überlebt haben, und das Wesen auch unserer Welt würde wieder analog dem Bild vom Globus ein
begrenztes, in sich geschlossenes, auf einen inneren Mittelpunkt bezogenes All sein, unbeschadet der
astronomischen Tatsache, daß es sich vielleicht körperlich dauernd ausdehnt. Wenn der Mensch eine
mikrokosmische Wesensenthüllung des gesamten von ihm innerlich erlebten Kosmos ist, so muß jeder
Wesensimpuls dieses Ganzen in ihm fühlbar sein und wenigstens grundsätzlich ihm zum Bewußtsein kommen
können. Geschieht dies, so hat er ein mythisches Bild, aber er hat zugleich auch eine magische
Berührung mit entsprechenden Kräften. Und er sieht, bald deutlich, bald weniger deutlich, wie sich
alle die Dinge in der Schöpfung nach inneren Entsprechungen aufeinander beziehen und sich zugleich auf
ihn, den Menschen selbst beziehen.
Dies ist die erkenntnistheoretische Grundlage und Sinngebung des astrologischen Wissens.
Und die Ausarbeitung dieses Erkennens und Wissens zu einem anwendbaren System ist die Astrologie im
ursprünglichen, unverfälschten Sinn. Denn der so erlebte Kosmos ist nicht eine formlose Masse, ist
auch nicht ein Aneinander oder Gegeneinander von Stoffmassen, sondern ist in sich gegliedert, wie ein
innerlich lebendiges Ganzes eben notwendig gegliedert ist; ist nicht eine Summe äußerlich
zusammenkommender oder auseinanderstrebender Teile und Atome, sondern hat durch und durch gestaltetes
Wesen in sich. So hat er vergleichsweise wie jeder Organismus, abgesehen von der gesamten Naturseele,
auch in seinen Abgliederungen die einzelnen Kraft- und Seelenzentren. Das sind die Götterpotenzen, die
Urheberkräfte. Diese naturseelenhaften kosmischen Lebenszentren sind ebenso vielgestaltig wie die in der
Außenwelt sichtbaren Naturdinge, etwa wie die Gattungen und Arten der Pflanzen und Tiere, wie die Elemente
der Stoffe, das Mineral, wie die Planeten und alle Sterne und Sternkomplexe. Sie schalten und walten
als einzelne und in Verbindung miteinander; sie sind die Seele der Gestalten, sie schaffen die Gebilde
der Natur, sie leben in allem Vergänglichen als die innere Gewalt: in Bäumen und Kräutern, in den Tieren
der Länder und Meere, in den Kristallen und den Vulkanen, im Frieden der Mittagsstille wie in den Stürmen
und Gewittern, im spiegelglatten und ruhelos wogenden Meer; sie sind die Lebenspotenzen von Sonne und Mond,
von Kometen und Sternbildern; sie gestalten die Gemeinschaften der Menschen wie den einzelnen Menschen
selbst; sie hegen und wiederverkörpern auch sein Geschlecht in und aus der Welt der Abgeschiedenen,
sie bestimmen seine Geburt und seinen Tod.
Ein ebenso tiefsinniger wie praktisch wertvoller Ausdruck für dieses Wissen um das innerlich verbundene
Weben und Sichgestalten der Götterkräfte und ihr Sichtbarwerden im äußeren Dasein, und so auch für den
stets lebendig wirksamen Zusammenhang von Erde und Kosmos, von Mensch und Natur - das war ursprüngliche
echte Astrologie. Soweit es sich überblicken läßt, ist sie uns nur als ein sehr spätzeitliches
heidnisches Können und Wissen überliefert. Sie macht aber auch da in ihrer sinnvoll durchdrungenen
Systematik durchaus den Eindruck einer sehr tiefgründigen Erkenntnis, ist aber eine schon bei sehr
weit entwickeltem Intellekt ausgebaute Wissenschaft. Wir dürfen nach der Natur ihrer Erkenntnisse
ohne weiteres annehmen, daß die Grundlagen durchaus in das natursichtige Seelenzeitalter zurückreichen.
So, wie wir sie spätzeitlich verstehen, geben uns die Himmelsbilder entsprechende Wahrheitssymbole für
das irdische Dasein; die Himmelskörper selbst sind Ausdruck für das irdische Sein, aber nicht nur als
feste Körper, sondern auch in ihren Bewegungen und Konstellationen.
In der astrologischen Symbolik ist zu unterscheiden, zwischen den Sternbildern des
Tierkreises und den Planeten, zu denen im geozentrischen Weltbild auch Sonne und Mond gehören.
Es ist für das Wesen der Astrologie einerlei, von welchem Punkt des Raumes, wie wir ihn uns vorstellen,
man die Dinge betrachtet; denn es handelt sich um die inneren Entsprechungen, um sonst nichts. Stellen
wir uns vor, auf dem Zifferblatt einer Uhr hätte, sobald die Zeiger sich hindurchbewegen, jede Stunde
des Tages eine andere seelische psychische Wirkung auf uns - wie es ja in mancher Hinsicht zutrifft; so
würden die bezifferten Stunden und der gesamte Stundenkreis unserer Uhr ein Symbol dieser Zustände sein,
mindestens eine Art graphischer Merktabelle. Nun denken wir es uns realistisch lebendig: der sichtbare
Welt- und Sternenraum ist so ein Zifferblatt, nur mit dem Unterschied, daß dieses selbst mit jenen
Potenzen ausgestattet ist, die wir auf unserer Uhr nur unlebendig-allegorisch angemerkt wissen. Die
Himmelsstunden sind die einzelnen Tierkreisbilder, durch welche die Sonne wie ein Uhrkreiszeiger in
einem Jahr hindurchläuft. Aber dieses Hindurchlaufen bedeutet selbst wieder Manifestation kosmisch
lebendiger Kräfte. Denn mit diesem Wandern, mit dieser Stundenverschiedenheit der Weltenuhr steht
in innerer Wechselwirkung und Entsprechung der Zustand unseres Daseins. Es ist also für die echte
Astrologie jeder der vom Sonnenzeiger zu durchlaufenden Sternbildräume als gefüllt mit lebendigen
Potenzen anzusehen.
Sind die Mythen, sagt Jung, die eigentlichen Ausdrucksformen des kollektiven Unbewußten, so ist die
gesamte Mythologie eine Art Projektion desselben. Und so sind die Himmelskomplexe der Sternbilder nichts
anderes als unbewußte introspektive Wahrnehmungen der Tätigkeit des kollektiven Unbewußten in Beziehung
zu diesen kosmischen Komplexen. Wir können sagen, die kosmischen Kräftezentren, also die Sternbilder sind
selbst makrokosmische Archetypen des Naturseelenhaften, die als Lebenspotenzen, als naturseelenhafte
Götterpotenzen darin wesen, die aber ebenso auch als mikrokosmische Archetypen im Menschenwesen ihre
Wirklichkeit haben. Denn die Götter draußen wohnen ja ebenso in des Menschen Brust und sind ein und
dasselbe. Und weil der Mensch Abbild des Makrokosmos, des Himmelsgroßmenschen ist, so haben nach
ägyptischer Lehre auch die Glieder des menschlichen Körpers ihre bestimmten astrologischen Beziehungen.
Tritt dies dem natursichtigen Menschen aus dem Unbewußten her in sein Bewußtsein, so sieht er wirklich
in diesen Tierkreisbildern die kosmischen Lebenszentren, denen er fortwährend unterliegt, an denen er Teil
hat.
Daß gerade wieder fabelhafte Tierwesen für diese Symbolik herangezogen werden, beruht auch nicht auf
einem rein allegorischen Bilden, sondern hat die tiefe Bedeutung und fließt aus dem tiefen Lebenszusammenhang,
der für den Menschen durch die Tierwesenheit mit der übrigen Schöpfung besteht. Ohnehin gehören die
Tiergestalten zu den mythischen Archetypen der aus dem Unbewußten dringenden Vorstellungen, wie wir
dies bereits ausführlich besprachen. Der Totemismus, die "Tierheiligung" ist, wie wir wissen,
eine der entscheidendsten magischen Bezogenheiten des Frühmenschen zur Natur und zur Götterwelt.
Daraus ist zu verstehen, wieso auch die himmlischen Kräfte, die im "Tierkreis" gebunden liegen,
eben dem magischen Menschen als Tierpotenzen erschienen.
Etwa das astrologische Bild "Stier" hat nicht den Sinn eines allegorischen Bildes, um damit
etwa die Macht des Triebhaften und der Fruchtbarkeit oder des Erdhaft-Gewaltigen auszusprechen; vielmehr
gibt die Festlegung dieses Stierhaften gerade in jenem Sternbild, das die Alten Stier nannten, unmittelbar
Zeugnis davon, daß jenes früheste Naturerkennen den Zusammenhang sah, der zwischen dem Auftreten der
triebstarken, fruchtbaren, erdhaften Potenzen in den Lebewesen, besonders im Menschen, und zwischen den
kosmischen Kombinationen besteht, wenn die Sonne in jenes Sternbild tritt, das Stier genannt wurde. Indem
die Sonne nun ihr Licht stets aus einem bestimmten Tierkreisraum zur Erde sendet, tritt das Göttliche aus
ihr in bestimmten Gestaltungen in die irdische Sphäre ein. Ihr Licht strahlt auf die umwandelnden Planeten,
in denen es sich gemäß eigener Individualität darstellt.
Die Sonne selbst als der Wesensmittelpunkt der Welt ist das lebensträchtige Symbol des Heraustretens des
Höchsten, von dem her das weniger Hohe sein abgegrenzteres Wesen erhält. Die Sonne selbst als Urkraft,
sagt S. Strauß, ist noch nicht als Mars im Irdischen verschlackt; sie ist die Schönheit, aber noch nicht
als Venus an den irdischen Stoff gebunden; sie ist die Urweisheit und spendende Güte, aber noch nicht als
Jupiter für Götter und Menschen spezialisiert; sie ist der erzeugende Urschoß, aber noch nicht als Mond
fruchtbar gemacht zum Gebären der irdischen Kreaturen; sie ist das Feuer, aber noch nicht als zerstörendes
Prinzip, wie der Saturn.
Der Kosmos ist so eine Hierarchie. Es leiten sich aus der höchsten Götterpotenz die niederen Götter ab,
im ganzen Kosmos geht aus der Urverkörperung alles hervor. So bleibt die Natur innerlich das einheitliche
Ganze bei aller äußeren Vielgestaltigkeit. Das alles aber ist nicht ästhetisch, nicht allegorisch zu nehmen,
sondern als urmagische Wirklichkeit des Lebendigen in aller Schöpfung. Unsere Neuzeitliche Wissenschaft ist
der Mythus vom Rationalen des Daseins; sie erzählt den Mythus des Verständlichen in der Schöpfung und
stellt die mechanische Seite derselben dar. Auch sie läßt aus der einstigen Ursonne diese selbst und aus
ihr die Planeten hervorgehen; diese sind allesamt Fleisch von ihrem Fleisch. So schildert uns heute noch
unsere Astrophysik gewissermaßen die seelisch entleerte Außenseite des uralten astralen und späteren
astrologischen Mythus.
Die Sterne selbst bedeuten in der Astrologie in ihren verschiedenen Wesenheiten und Bewegungen und
Stellungen und in ihrer verschiedenen Kombination mit den Tierkreisbezirken eindeutige Zusammenhänge
einer vom Kosmos als Ganzen bestimmten Lebensgestaltung des Irdischen. Und stets hat dies alles einen
doppelten Wesenssinn: es ist beseelt vom Aufbauenden und Erhaltenden, es ist auch beseelt vom Zerstörenden.
Das eine wie das andere stellt sich in vielfacher gegensätzlicher Verschlingung in den Konstellationen der
Himmelskörper, d. i. der kosmischen Kräfte und Kraftzentren dar. So zeigen sich die Himmelskörper und ihre
Reigen als seelisch lebendige Wesenheiten; und wie sie miteinander erscheinen, wie sie zueinanderstehen,
innerlich, dafür ist der Himmel der greifbare Ausdruck, und dieser Ausdruck ist zugleich wieder ein
Symbol der inneren Zustände des Lebens überhaupt, insbesondere des Mikrokosmos Mensch.
Weil für den natursichtigen Menschen nicht nur das, was wir gemeinhin Leben nennen, also nicht nur die
organischen Gestalten der Tiere und Pflanzen von innerem Leben durchpulst sind, sondern auch alle
sonstigen Dinge wie Fels und Stein, Flüsse und Meer, so haben auch die Orte überall ihr magisch-lebendiges
Gesicht, sind voller magisch-lebendigen Inhaltes. Auch die Orte auf Erden sind in diesem beziehungsvollen,
allseitig in sich geschlossenen, in sich zurückkehrenden Weltall selbstverständlich eindeutig auf
Himmelsörter, also praktisch auf Sterne und Sternbilder bezogen, aber nicht abstrakt rechnerisch,
sondern sie sind der irdische Ausdruck kosmischer Potenzen, unter denen der Mensch wohnt, leibt und
lebt; daher auch die Bindung bestimmter Götter und Urheberkräfte an bestimmte Orte und Ortungen, auch
wenn diese Göttergewalten rein kosmischer Herkunft sind. So ist es begreiflich, daß die Lebensäußerungen
der Menschen vom Kosmos her bestimmt, wie auch an ihm in inneren Entsprechungen gespiegelt sind; es ist
weiter begreiflich, daß auch das Eingehen in den Ort des Todes ein Eingehen in reale kosmische Zusammenhänge
ist.
Da die Bewegungen der Gestirne, sagt Jeremias, und die Konstellationen, durch die sich der Wille der
Gottheit kundgibt, und ebenso die Entsprechungen der Teile des Kosmos in Zahlen zum Ausdruck kommen,
so ergibt sich für die altorientalische Religion eine mathematische und für die Mathematik eine astrale
Grundlage. Für Sterne, Stein, Pflanze, Tier und Mensch in ihren äußeren Darstellungen und inneren
Zusammenhängen suchen wir in der ungeheueren Symphonie des Weltalls mit seinen Harmonien und Disharmonien
das ordnende Prinzip, das unserem innersten Wunsch nach sinnenhafter Anschauung genügt. So wie der Musiker
in der Partitur den Wettstreit der Klänge liest, so erkennt der Harmoniker in den Werken der Schöpfung das
Ringen der kosmischen Klänge, eine Partitur sich immer erneuernder Schöpfungsklänge ist sie ihm, worin
Gottes Finger die geheimen Weisen spielen. So liegt es im Ton beschlossen, die Zahl seelisch zu erleben
und damit im Zusammenhang die Raumbeziehungen. Und dies durchdringt alle Gebiete der Wirklichkeit. Ton,
Zahl, kosmischer Raum, also Sterne, Orte und Zeit werden damit innerlich gleiche Dinge, und darin finden
Hieroglyphen, Tempelbauten, Pyramiden, ja zuletzt gotische Baudenkmäler und die kultische Musik des
Gregorianischen Chorais, um nur dieses zu nennen, ihre Aufhellung. Im Zentrum alles dessen aber steht
die echte Astrologie. Es sind die musikalischen Proportionen des Weltalls und aller seiner Teile - es war
eben die "harmonikale" Methode Keplers, die ihn die Planetengesetze finden ließ; es ist der Sinn
der Harmonie der Sphären.
Der astrologische harmonikale Gesichtspunkt umgreift also alles in sich. Er erstreckt sich auf alles
symbolisch, aber eben in dem Symbol nun liegt auch das wahre Erleben der Wirklichkeit, nicht nur der
ideenhaften, sondern auch der voll sinnenhaften. Der Mensch wie die Welt fallen nicht mehr in zwei
einander fremde Wesensbestandteile auseinander, wo der Intellekt nichts mit dem Empfinden mehr zu
tun haben will und umgekehrt; alles wird zum kosmischen Rhythmus, alles steht in inneren Entsprechungen
miteinander. Daher ist es zu verstehen, daß für den mythisch gerichteten Frühmenschen auch bestimmte Zahlen
bestimmten Stoffen oder Körpern zugehören; und es ist sogar zu verstehen, inwiefern der geordnete Kosmos
eben durch die in ihm sich aussprechende Harmonie der Zahlen sowohl wie durch die Zahlenverkörperung in den
Sternen und Dingen eine Art Musik, ein Rhythmus, ein kontrapunktischer Aufbau erscheinen konnte.
Bei den Babyloniern bildeten Minerale und Metalle ersichtlich eine Hierarchie der Werte. Der Kauf- oder
Tauschwert von Gold, Silber, Kupfer war nicht etwa von Angebot und Nachfrage bestimmt, sondern der Wert
bemaß sich nach den Verhältniszahlen der ihnen zugeordneten Planeten, mit denen sie magische
Wesensverwandtschaft besaßen. Das war auch der Sinn ihrer Verwendung. Der Wert solcher Metalle, ihre Wertung,
die ein dauernd Unverändertes, ein Währendes war, also ihre Währung, hatte somit nichts Händlerisches an
sich, sondern wertbestimmend war der "Ort" derselben d. h. ihre kosmisch bezogene und gebundene
Rangordnung innerlicher Art; denn jedes Element, jedes Mineral hatte seine eigene "Tugend",
wie Paracelsus sagt; das rein Substanzielle war stets lebendiger Ausdruck, also Symbol für die Wirklichkeit
seiner Naturseelenkraft.
So wird das einzelne "Tierkreiszeichen", werden die Planeten und ihre Stellungen und die
ihm zugeordneten oder in seinem kosmischen "Ort" wohnenden Potenzen zum Sinnbild ganz bestimmter
Strebungen, Zustände, Einordnungen, Schicksalsfügungen in der götterhaften Natur. Alles aber, was wir
heute dazu vorbringen, ist doch eigentlich recht äußerlicher, unbeholfener Natur, sind elende Versuche,
das ehedem wirklich erschaute und unmittelbar erfühlte lebendige Wesen dieser kosmischen Gegebenheiten uns
irgendwie wieder vorzustellen. Aber so wenig wir selbst noch kosmische Götter sehen und erleben, so wenig
ist uns, anders als durch bloß intellektualistische Beschreibungen, der Geist einer urtümlichen Astrologie
verständlich. Sie war gewiß nichts weniger als abgebrauchter Aberglaube, wie sie so oft in unseren Tagen,
die nur den "lebenden Leichnam" noch vor sich sehen; sondern es war die klare Sicht auf die Götterpotenzen,
und war sozusagen ein eigener Bezirk des Götterkultes, des Naturkultes, erhoben in die Region reiner
Priesterweisheit, und auch so gehütet vor der "Entweihung" durch die Unberufenen.
Jetzt verstehen wir es abermals grundsätzlich, was das Urwissen des Frühmenschen enthielt, wie es
in Mythen niedergelegt werden mußte, in Symbolen, die auf ihren Sinn hin auszudeuten sind. Wir verstehen,
wie ihm im Kosmos die Götterkräfte entgegentraten; wie immer wieder andere Götterpotenzen entdeckt wurden,
die kamen und schwanden, soweit sie nicht festgegründete einmalige Urzentren waren; wie nach und nach eine
Götterhierarchie, ein Göttersaal, ein Olymp, ein Pantheon dem vergeistigten Blick sich darbot, und wie dies
alles Ausdruck echtester Wirklichkeit war.
Das Mythische wurde durch die Epochen seit dem silbernen Seelenzeitalter immer mehr und mehr
intellektualisiert. Und unser Mythus vom Kosmos und den Göttergewalten ist heute intellektuelle
Wissenschaft. Mit unserem wissenschaftlichen Denken können wir freilich nicht mehr das innere Leben der
Natur, das der Mythus meint und aussprechen will, erschauen. Aber wir können es erahnen, wenn wir in uns
selbst an die in den Tiefen unseres Wesens noch schlummernde Urschicht rühren. Das mythische, goldene
Zeitalter ist uns so gut wie völlig verschlossen und fremd geworden; aber das magische Zeitalter, das
silberne, können wir noch verstehen, weil in ihm schon der grob physische Lebenszustand verwirklicht war,
weil im Menschen schon der Intellekt mitzuarbeiten begann, in welchem wir jetzt so völlig befangen sind.
In dem Maße, so sagten wir, als der Intellekt mehr und mehr an die Oberfläche kam und zunahm, wurde auch
die Seelenschicht des einstigen hochmagischen Erlebens und Handelns weiter eingeengt, und erlahmte. Heute
ist sie so gering geworden, daß wir selbst das Niedrig-Magische der Naturvölker kaum mehr verstehen,
geschweige denn, es auszuüben vermögen. Indessen lebt es noch in der geschichtlichen Zeit, und wir finden
es auch in unseren Jahrhunderten noch in Resten in der Volksseele. Alle diese Reste und alle Beschreibungen
und Überlieferungen, die wir von neuzeitlichen oder Altertumsvölkern an magischem Gut und an bewußtem
magischen Handeln und Erkennen noch finden, müssen wir nun aufnehmen und, soweit wir es verstehen,
dies rückwärts zur voll-magischen Seelenstruktur ergänzen, ausweiten. Wir wollen sozusagen die Ruinen
restaurieren, um daraus die alten Bauten des Daseins naturnaher Frühmenschen wieder vor uns auferstehen
zu lassen.