Das wichtigste Werkzeug dieses Schöpfungsaktes ist die Hand. Wie die Hand Gottes so beseelt auch die Hand des Künstlers die tote Materie und haucht ihr seinen Geist ein.
Seit jeher galt die Hand als das den Menschen auszeichnende Körperteil. Der Gebrauch der Hand gibt dem Menschen das Gefühl, schöpferisch zu sein, wie ein Gott. Daher fühlt er sich allen Lebewesen überlegen.
In Psalm 82 Vers 6 lesen wir: "Wohl habe ich gesagt, ihr seid Götter, ihr seid alle Söhne des Höchsten." Die Hand ist eine Metapher für Macht, denn Hände können streicheln, drohen, stützen, schlagen, erschaffen und sogar töten. Mit den Händen drückt der Mensch sich aus und gestaltet die Welt, ja er bildet sie nach seinem Vorbild.
Als uralte Erfahrungswissenschaft wurde die Chirosophie bzw. Handlesekunst schon immer von vielen Völkern und Gelehrten dieser Erde wie Platon, Aristoteles, Paracelsus u. v. a. angewandt und gelehrt. Anaxagoras (griechischer Philosoph, 450 v. Chr.) wies schon darauf hin, dass der Mensch seine Weisheit und seine Überlegenheit größtenteils dem Gebrauch seiner Hand verdanke.
In den schriftlichen Überlieferungen der ältesten Kulturen (Indien, China, Arabien u. s. w.) finden wir bereits Hinweise, dass die Menschen damals ihr persönliches "Buch des Lebens", wie es in den Handlinien codiert ist, zu lesen vermochten. Diese Wissenschaft wird heute Chirologie und Chirosophie (von griech. cheir, "Hand", also Lehre des "Handlesens" bzw. "Weisheit aus der Hand") genannt.
Landläufig wird die seriöse Chirologie meist mit Chiromantie ("Wahrsagerei aus der Hand") verwechselt oder gleichgesetzt (von griech. cheir und mantis, "hellsichtiger Mensch" und auch "Zeichendeuter; Wahrsager").
Auch im alten Europa war das Wissen um die Chirologie weit verbreitet, aber in den Jahrhunderten n. Chr. ging dieses Wissen auf Grund der Verfolgung durch die kirchliche Inquisition weitgehend verloren und geriet, wie alles "Heidnische", in Verruf. Was in unseren Breitengraden an Wissen übrig blieb, wurde in Form spätmittelalterlicher Überlieferungen viele Male abgeschrieben und blieb nur in einer unzuverlässigen, stark verwässerten unkompletten Form erhalten.
Im Zuge der Renaissance erinnerten sich die neuen Generationen von Gelehrten auch daran, dass im alten Griechenland die Chirologie als eine heilige Wissenschaft gegolten hatte. Ein Gelehrter aus Deutschland, Johann Hartlieb, veröffentlichte 1448 ein Buch über Chirologie. Melanchton, zuerst ein Gegner der Chirologie, wurde ein Schüler dieser Wissenschaft und lehrte sie dann an der Universität Wittenberg.
Zu Beginn des 18. Jahrhunderts wurde die Chirologie in Deutschland an den Universitäten Halle, Jena und Königsberg gelehrt. In Dresden hielt um dieselbe Zeit der Arzt Philipp Meyens Vorlesungen über dieses Thema. Mit der Epoche der Aufklärung, in der nur noch das Paradigma der Rationalität, der "wissenschaftlich" beweisbaren Fakten, anerkannt wurde, verschwand die Chirologie aus den akademischen Kreisen und bekam erneut einen schlechten Ruf.
Wurde sie im Mittelalter als "Heidnische"- oder Zigeuner-"Wahrsagerei" verschrien, galt sie nun als "unwissenschaftlicher Aberglaube". Durch das Vakuum, das infolgedessen entstand, wurde die Handanalyse in das unseriöse Feld von Jahrmärkten und Wahrsager-Zelten verdrängt.
Luthers Ankunft auf der Wartburg: Man erkennt, die linke Hand (die Hand des Herzens) wird von der rechten Hand festgehalten. Damit befindet sich die Hand in der Haltung der Demut des Herzens. Es ist aber keine Unterwürfigkeitshaltung, denn die gesamte Körperhaltung, sowie der offene Blick der Augen, bezeugen ein hohes Maß an Selbstbewusstsein.
In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts waren es die Franzosen d'Arpentigne und Desbarolles, die die Chirologie wieder neu belebten und einiges von dem Verlorenen ersetzten. Beide Autoren wurden in diesem Wissensbereich durch ihre Schriften weltbekannt.
Ab Mitte des 19. Jahrhunderts bahnte sich ein neuer Zugang zur Chirologie an. Einen bahnbrechenden Einfluß hatten seit Anfang des 20. Jahrhunderts die Veröffentlichungen von Prof. h.c. Ernst Issberner-Haldane (1866 Kolberg/Pommern - 1966 Frankfurt/Main), der sich in verschiedenen Kulturkreisen, insbesondere in Indien, weiterbildete. 1921 erschien sein erstes Hauptwerk: Die wissenschaftliche Handlesekunst - Chirosophie, das zahlreiche Neuauflagen erlebte.
Die medizinische Handlesekunst folgte nur kurze Zeit später. Seine Ehefrau Rita Issberner-Haldane übernahm nach seinem Tod seine Lebensaufgabe und führte sie in einer Heilpraxis in Frankfurt/Main mit weiteren Forschungen weiter.
Während des 20. Jahrhunderts befreiten empirische Studien und Analysen die Chirologie von ihrem unseriösen und suspekten Ruf.
Heute, in einer Zeit, in der vielseitige wissenschaftlich-holistische Forschungen die starren Grenzen der vorherrschenden materialistisch-rationalistischen Weltanschauung auflösen, bekommt auch die Chirologie eine neue Grundlage, denn es wird erkannt, dass sich die Handlinien und Fingerabdrücke, die bei jedem Menschen auf eine individuell einzigartige Weise verschieden sind, nicht bloß zufällig bilden, sondern die physische Ausprägung unserer psychischen (mentalen und emotionalen) Struktur darstellen.
Dank der wissenschaftlichen Daktyloskopie, wie sie in der Kriminalistik Verwendung findet, wissen wir heute, dass auch den Fingerabdrücken eine tiefgründige Bedeutung zukommt.
Während sich die Handlinien im Laufe der Jahre verändern können, sind die Fingerabdrücke bereits beim ungeborenen Kind seit dem fünften Schwangerschaftsmonat vollständig ausgebildet und begleiten uns als feststehendes Muster während des ganzen Lebens. Das "Feststehende", das uns als Aufgabe und Berufung durch unser ganzes Leben begleitet, wird im Sanskrit "Dharma" (wörtlich: "das, was feststeht, bleibend ist") genannt, und dieses Dharma kann am Hautmuster der zehn Fingerspitzen abgelesen werden!
Unsere Handlinien und Fingerabdrücke sind also ein "Buch des Lebens", das viel über uns als Person und über unsere Lebensaufgaben und Lebenslektionen sagen kann.
Die Handlesekunst gilt als ein nahezu grenzenlos großes Wissensgebiet. Um die Handlesekunst zu erlernen ist ein jahrelanges, tiefgründiges Studium nötig. Nach tiefem Studium ist eine Analyse von charakterlichen Wesenszügen möglich. Dies soll dem Menschen zu Bewußtseinserweiterungen verhelfen!
Eine weitere Anwendungsmöglichkeit, die auch besonders bedeutend ist, ist die Bestimmung von Gesundheitlichem aus den Eigenschaften von Hand und Fingernagel.
Gerade dem heutigen Menschen ist es besonders wertvoll, darüber wenigstens einige Grundkenntnisse zu besitzen, da ja die Selbstverantwortung immer mehr in den Vordergrund gerückt wird.
Kopf und Hand sind ein Gespann
wie Kutscher und Pferd.
Der eine gibt die Richtung an
der andere galoppiert!
Unbekannter Dichter