Das Sakrament der Ehe ist heute doch schon so selten, daß wir uns wehren, die Ehe in noch gesteigertem Maße zu einem Tummelplatz sexueller Raffinements werden zu lassen. Wie oft ist es nicht, daß nach den trefflichen Worten Strindbergs vor dem Altar ein Meineid geschworen wird, nur um gesellschaftliches Ansehen genießen und eine ungehinderte Erlaubnis für die Sexualität stets vorweisen zu können. "Früher ließen sich die Frauen scheiden um Kokotten zu werden; jetzt aber lassen sie sich trauen, um Kokotten zu werden. Das ist die verheiratete Halbwelt!"
"Die Weiber, die zu Müttern bestimmt wären, die vertrauern ihr Dasein als alte Jungfern, die Hure wird geheiratet, beherrscht unser häusliches und öffentliches Leben. Die Hure im Hurenhaus ist keine Sünde, sie erfüllt dort ihren Zweck. Aber die Hure im Ehebett ist der Untergang der Völker und Staaten", so mag das eine zwar mit kräftigen Worten ausgesprochene Mahnung sein, den engen Pfad nicht endgültig zu verlieren, der zu der Höhe führt.
So ist es heute: Steinerne Höhlen - steinende Gräber, das nennt das Menschlein seinen Wohnsitz. Steinerne Herzen - steinerne Seelen, das ist das Innerste des Erdenwurmes. Ein Irrenhaus, ein Irren-garten ist Mutter Erde. Totenköpfe spuken, schleichen über dampfenden Asphalt. Verseuchte Menschleinleiber schleppen vermorschte, angefressene Knochen durch die Totenstadt des Steines. Das Ende naht.
Doch wie die Lampe nach dem Bruch des feinen Licht verbreitenden Drahtes noch einmal in hellster Helligkeit strahlt, um jählings zu verlöschen und ewig zu verdunkeln, so hat ein letztes Jauchzen des totgeweihten Lichtes, das in den Fleischesmassen verdorben wurde, zum falschen Leben die Kreaturen in die Lust getrieben.
Tobende Feste, aufpeitschende Musik, geboren im Chaos, sinnesverwirrende Tänze und pausenloser Saus und Braus. Durch Gift zerstörte Menschlein schleifen den Parkett; Das Gift durchfließt den Körper. Und Sinnlichkeit, durch Krankheit aufgestachelt bis zum Äußersten, treibt Göttlichstes in die Kloake. Doch immer enger schlingt der Tod die Fesseln um das Opfer.
Das Rad des Schicksals, das der Mensch selbst schuf, kreist unaufhörlich, reißt die Menschheit mit sich, schwingt sie, schleudert sie hinab. Bald bist du unten. Was haderst du mit deinem eigenen schwachen Selbst? Wenn du ein Riesenwerk erschaffst, turmhoch, wolkenstrebend, es stürzt zusammen, wenn du schlecht bedacht den Untergrund nicht breit und fest und tief gemauert und gefestigt hast. Und fallend reißt dein eigenes Schaffen, das dich selbst verkörpert, das du selbst bist, dich zu Boden und zermalmt den kleinen Menschen, der sein eigenes Schicksal war.
Sich selbst erkennen ist der Lebenszweck. Auf dünnem Glas kannst du kein schwer zu Boden wuchtendes Gemäuer bauen. Das Glas zerbricht und spitze Splitter, Scheiben zerschneiden dir den Puls und lassen dich verbluten. Wohl aber, wenn du recht erkennst und Maß und Ziel hast, entsteht ein Bild und Gleichnis, farbenbunt, harmonisch, ein Bild im hohen Dom, das dem, der selbst sich sucht, Erhebung schafft und ihn erkennen läßt, daß jedes seinen Zweck hat, jedes Werk, und sei es noch so klein, den Menschen vorwärtstreibt, wenn er den Grund und seine Wirkung ausgeglichen und vereinigt hat.
Es ist der Sinn des Lebens, die Leidenschaften zu erkennen und ob der dunklen Mächte Herr zu werden. Die Kräfte, die du verzehrst in deinen Trieben, sie spare auf und nutze sie zu edlen Zwecken. Gib dich nicht hin für Niederes und Kleines. Nein, wenn du deinen Körper marterst, so opfere nur für unerhörtes Großes. Und dieses unerhörte Große ist der Mensch.
Sei eitel eingebildet in derart starkem Maße, daß deine Eitelkeit die Bildekraft in deinem Inneren ist, die dich in Stolz erhellt zum höchsten Ziele. Und dieses höchste Ziel ist nur der Mensch.
Erstrebe eines nur: die Freiheit in dir selbst. Mit jeder Faser deines Leibes durchschwingt den Erdenleib der einzige Gedanke: die Freiheit jedes wahren Ich. Und diese Freiheit strahlt gleich Sternen-feuerlicht in alle Weiten, durchdringt das letzte Erdental und schafft das Äußerste:
Und fragst du nach dem Weg? - Es ist der dornenvolle Weg des Opferns. Denn nur vom Opfer lebt das Leben. Nur dort, wo opferbereite Zeugung ist, wohnt Glück und Seligkeit. Unselig ist nur das unfruchtbare Leben. Denn dein Gott hat dich fruchtbar gemacht.
Christus sagt: Was der Mensch säet, das wird er ernten! Denn das Vergeltungsgesetz ist die Mutter aller im All wirkenden Gesetze. Es ist immer und nur gerecht. Mag es auch oftmals in Formen und Ausmaßen sich zeigen, die der menschlichen Urteilskraft ungerecht erscheinen. Die Lehre vom selbstverschuldeten Schicksal ist der Schlüssel zu allen Sorgen oder Elend des einzelnen Erdenwesens. Das uralte Gesetz von Ursache und Wirkung gilt, wie im ganzen All, so für jeden Menschen. Ihm kann sich niemand entziehen. Unabänderlich, gerecht und mit unerbittlicher, unheimlicher Strenge setzt sich der göttliche Urteilsspruch durch. Es gibt keine Tücke des Schicksals. Denn das Schicksal liegt in deiner eigenen Hand, bist du selbst. Hier, bei dir setze den Hebel an. Dein Gedanke im früheren Sein schuf dein heutiges Leiden. Dein Gedanke im heutigen Leben wird dir zukünftiges Glück bescheren.
Wie oft nicht geht es guten und gerechten Menschen übel, und die Schlechten erfreuen sich scheinbar eines ungetrübten Glückes. Kinder erblicken das Licht der Welt mit schrecklichen Leiden und Gebrechen behaftet. Ja, Witzgeburten häufen sich. Jung stirbt das Kind, ehe es noch an Sünde denken konnte. Plagen und Unglück verfolgen ohne erkennbare Schuld ein neugeborenes Wesen. Wenig nur entsprechen sich auf Erden Menschenwert und Menschenglück. Denn ist es nicht fast die Regel, daß es dem minderwertigen Menschen umso besser geht, je schlechter er ist? Und der andere, der edel geartet, trägt umso größere körperlich und geistig-seelische Entbehrungen und Leiden?
Ist das Gottes Güte? Scheinbar nicht, und doch ist es unvereinbar mit einer göttlichen Güte und Gerechtigkeit und Barmherzigkeit, mit einer göttlichen, sittlich-geistigen Weltordnung, wenn da scheinbare Strafen eintreten, wo kein Verschulden vorliegt. Es wäre der grausamste Hohn auf jeden Glauben, wenn dieses jeder Gerechtigkeit scheinbar ins Gesicht schlagende Mißverhältnis grundlos bestehen würde. Doch dieser Witzklang wird aufgelöst durch das Gesetz vom Karma, vom selbstverschuldeten Schicksal. Der Schlüssel des Rätsels liegt in der Lehre des früheren Seins.
"Ihr sollt vollkommen sein, wie auch euer Vater im Himmel vollkommen ist." Damit ist nicht gesagt, daß du den Körper und das Fleisch verachten sollst, nein, asketische Tötung des Fleisches ist nie und nimmer Gottes Wille. Beherrschen aber sollst du die Wohnung des höchsten Göttlichen, der Seele. Gib dem Körper, was dem Körper gehört, aber laß den Geist die Triebe zähmen und veredeln. Jeder Mensch muss ein bestimmtes Mass seelischer Vollkommenheit erreichen, um den dauernden reinen Seligkeitszustand, die Vergottung der Mystiker zu erlangen. Sünde ist seit dem Menschenfall das Erbteil, da ist das Ziel und Streben des Aufgehens in Gott und des Eins-werdens mit Gott in diesem einen Leben eine Unmöglichkeit. Wir werden so lange in ein neues leibliches Leben zurückkehren müssen, bis das sittlich-göttliche Lebensziel erreicht ist. Immer und immer wieder hat die Seele ein wiederkehrendes Körperleben durchzumachen, bis sie endlich in dem dem Wesen der menschlich-göttlichen Seele gemäßen Vollkommenheitszustande schwingt und wirkt. Trotz der Sündhaftigkeit kann und muß die Seele Kraft ihres höheren göttlichen Ursprunges und Wesensgehaltes zur sittlichen Vollendung gelangen, indem sie eben so lange dem Erdendasein unterworfen bleibt, bis sie die stofflichen Hindernisse und Hemmnisse der inneren Vervollkommnung überwunden hat und aus diesem währenden Kampfe endgültig als Sieger hervorgegangen ist. Durch die Seelenwanderung oder besser durch die wiederholte Einkörperung der Seele in einem ihrer Verfassung entsprechenden Leib geschieht die Klärung und Läuterung.
So mag die Wanderung durch ein neues Körperdasein eine Sühne sein für die im früheren Leben begangenen Sünden und Frevel. Denn jede Untat heischt Wiedergutmachung. Früheres sündiges Begehren nach der Fleischlichkeit ist Grund für das neue Leben, das Gelegenheit und Zeit bietet, die stark versäumten Lebenspflichten nachzuholen und zu erfüllen. Aber auch Entschädigung für Mißgeschick - wenn auch dieses selbstverschuldet war - bietet die neue Geburt. Und selbst die vollkommene Seele findet noch einmal den Weg zur Mutter Erde in den körperlichen Leib, selbst der gerecht Gewordene verkörpert sich im Menschensproß, um Beispiel und Führung, um Lehrer und Meister für die staubgeborenen schwankenden Menschenkinder zu sein.
Letztlich ist sittliche Prüfung und praktische Bewährung Sinn der Wiederkehr. Doch stets ist zu bedenken, daß gewissermaßen nur das äußere Geschick des Menschen göttlich vorherbestimmt ist. Zur Gestaltung seines inneren, sittlichen Lebens ist ihm die Willensfreiheit gegeben. Darum ist stets der Mensch für seine Taten verantwortlich. In dem Getriebe des irdischen Seins soll er sich bewähren und vervollkommnen. Immer wieder und wieder, bis das Wort erfüllt ist: Wer rein und bezähmt ist, Buße tut, die Sinne zügelt, Tugend übt, wird als ein Gott wiedergeboren.
Der leidende Gerechte büßt durch sein Leiden die Schuld des früheren Seins und bei rechtem Verhalten schafft er den Grund für die Seligkeit im nächsten Sein. In Glück lebt der Böse: er genießt den Lohn für die Guttaten einer ehemaligen Zeit und gleichzeitig bereiten die jetzigen Sünden das Elend in Zukunft. Mißgestaltet und gebrechlich schleppt sich der durch das Leben, der einstmals durch Ungerechtigkeit sündigte und so bei sich die Schuld zu suchen hat, daß ein ungestaltet Leib die Hülle einer ungestalt gewordenen Seele wurde. Und wie mancher gute und hoffnungsvolle, opferbereite Mensch plötzlich aus der Lebensbahn gerissen wird, ehe er seine Aufgabe erfüllt und verdientes Glück genossen hat, weil sein Körper zu enge wurde, ihn seine Aufgabe vollkommen erfüllen zu lassen, und wie dieser Mensch so baldig einem neuen Leibesdasein entgegengefühlt wird zu verdientem Glück, so ist auch manches frühe und vorzeitige Sterben der Sold der schweren früheren Sünde, die nicht die jetzige Körperlichkeit dulden will und ein schnelles Weiterwandern fordert. Hier ist nicht nur der Tod, die Entkörperung die Frucht der Sünde, sondern auch die Wiederverkörperung, die neue Geburt ist beschwerliche Mühe. Denn je nach der Beschaffenheit der Seele am Ende des verflossenen körperlichen Daseins wird der neue Körper, in den eine solche Seele gelangt, den sie sich Kraft ihrer Bestimmung und Strebigkeit erwählen muß, ein höherer oder niederer, ein vollkommener oder mangelhafter sein. Die neue Leiblichkeit entspricht stets der bis zum Abschluß des bisherigen Lebens erreichten geistig-sittlichen Vervollkommnung der Seele. So mag auch je nach dem Zustande der Seele am Ende des Körperseins, und zwar genau gemäß diesem Körperlebensergebnis, die körperlose Zwischenzeit unselig oder gut, höllisch oder himmlisch sein.
Im Augenblick der Zeugung tritt die Seele in die neue Form. Oder, wenn wir bis zur Urkraft zurückgehen: Im Augenblick der Zeugung schafft sich die harrende, zum neuen Sein bestimmte Seele den ihr gemäßen Körper, indem der Zielgedanke die Liebenden zu einander trieb. Zwei Wege kreuzen sich hier im Mutterleib zur Zeit der Empfängnis. Der eine ist der Weg des Fleisches, der Weg, den die triebbeherrschten Körper gehen von Geschlecht zu Geschlecht. Der andere ist der Weg der einen Seele, die von der Urkraft kommt und nach manchem Irren zur Urkraft zurückstrebt. Der Volksglaube erscheint daher gar nicht so töricht und unrichtig, wenn er die abgeschiedene Seele in der Nähe der letzten körperlichen Heimat weilen läßt, ist doch da am ehesten die Möglichkeit der Zeugung eines wesensverwandten neuen Körpers durch ihr wesensverwandte Menschen gegeben.
Wie lange schon eine Seele auf Wanderschaft ist? Nur selten wird es einem Kundigen gelingen, die Zeiten der Ruhelosigkeit aus den Formen und Ecken und Kanten und Rundungen des Körpers zu erkennen. Selbst der eigenen Ichheit ist der Einblick in die früheren Erdenwege verwehrt. Gewiß wird mancher Eindruck im Einzelleben in unsere Seele hineingearbeitet und hinterläßt manches Geschehnis eine Nachwirkung in ihr, aber, wenn auch die Seele die Eindrücke des Lebens in ein späteres Sein mit hinübernimmt, die Geschehnisse selbst sind dem Gedächtnis entschwunden. Mehr zu wollen, den ganzen Schatz der Erlebnisse auch mit Bewußtsein festhalten zu wollen, wäre ein ichsüchtiger Geiz, der das einmal Erraffte in gierigen Händen hält und nicht wieder fahren lassen will. Es ist gut so, denn der Schatz ist eine Last und die Erinnerung voller Qual. Rückwärts blickt nur der müde abgespannte Wanderer. Der lebensfrohe und zukunftswillige Mensch kennt nur ein Vorwärts! Tief ist so der Sinn der Sage von dem Lethefluß, in dessen Wassern die Alten das Vergessen tranken.
Alle sichtbaren Dinge und Wesen waren vor ihrer Erscheinung unsichtbar in Gott. So geht, wenn ein Kind empfangen wird, aus Gott ein Gedankenwort aus, das dem werdenden Menschen die Seele gibt. Die menschliche Seele ist ein göttliches Licht, ja, sie ist Gottes, gebannt in das Haus des Fleisches. Und die höchste Seelenseligkeit ist das Zusammenschmelzen der beiden Zwillingsseelen. Das ist die unio mystica, die Hochzeit des Lammes in der Schrift, der Eingang in das höchste Licht. Denn wenn die Seele des Einzelwesens sich wieder und wieder verkörpert bis zur Vollendung und Erlangung des göttlichen Siegespreises, wird die Seele auch in der neuen, stofflichen Hülle die Seele jenes Einzelwesens suchen, mit dem sie schon ehedem ein besonderes Schicksal verband.
Oft befällt uns ein Schrecken, wenn wir in Städte und Länder kommen, die uns schon ein nächtliches Traumbild zeigte; und ebenso geschieht es, daß wir den Menschen mit Augen sehen, daß wir ihm begegnen, von welchem wir wissen: das ist dein Schicksal! Den Augenblick nütze. Verschließe nicht die Augen, wenn aus dem Unbewußtsein die karmische Vergangenheit auf kürzeste Zeit empordämmert. Traumhaft und doch klar umrissen zeichnet sich hier die Möglichkeit ab, das Schicksal zu erfüllen, es in die eigene Hand zu nehmen und weibvereint das Werk der Bestimmung zu schaffen. Greif in die Speichen des Rades, sonst rollt das Schicksal vorüber.
Das Werk gilt es zu schaffen, das nach dem weisen Wort größer ist, als die es schufen. Das Kind wird Lohn und Preis für Selbstbezwingung sein. Doch nicht das elend-kranke Wurm, das die Zeichen eigner und der Eltern Schuld trägt und mühsam ein Leben durch das Leben schleppt, das niemals Leben ist. Nein, das Wunschziel ist der Gottmensch, der in sich alles Tierische vernichtete, der reine Form der reinen Seele ist. Das ist das hohe Ziel der Ehe. Nicht Masse, sondern Güte.
Und ist das Schicksal vorbestimmt, daß du den Weg der Zwillingseele verfehlst und werden einmal nicht die eigenen körperlichen Kinder den Sarg zur letzten Ruhe tragen, dann tröste dich, daß dich das Schicksal, das du wohl erkanntest als dein eigenes Werk, nach kurzem Zwischensein in Himmelshöhen erneut die Erdenwege wandeln läßt. Und dann, das weißt du, wenn du wohl dein Leben führtest, wirst du den Weg der Zwillingsseele mit geschlossenen Augen finden. Denn das Werk, das du im früheren Leben schufst, das heilig war für edle Menschen, war nicht nur Vater für die anderen, es war dein Kind, das dich nun an der Hand nimmt und den Weg zur Einheit in der Zweiheit führt. Wie die Ströme rinnen und im Ozean verschwinden, so geht dann der Weise, erlöst von Erdenschwere, ein zum göttlich-höchstem Geist.